Autor : Thomas Grützmacher
Heute beginnt der Tag um 4:50 Uhr – Der Wecker klingelt mich aus dem Schlaf.
6:30 ist Beginn im Impfzentrum, um 7:00 Uhr öffnen sich die Türe für die „Impflinge“.
Ich habe direkt zu Beginn der Arbeit dort dieses Wort gelernt. Impflinge : Das sind die Mitmenschen, die zu uns kommen und ihre Impfung erhalten werden.
Teils kommen sie mit langer Wartezeit und Hürden bei der Terminvergabe. Nicht jeder hat Zugang zu Internetportalen und die Rufnummer 116117 war lange die Frustnummer des Landes. Das hat sich entspannt seit dem mehr Impfstoff verfügbar ist und die Priorisierung weg gefallen ist.
Heute bin ich in der „Beobachtung“. Das ist der Ruheraum nach dem Impfung in dem sich alle Geimpften hinsetzen, sich noch etwas Zeit nach dem Pieks nehmen, in sich hinein hören und dann zum Checkout weitergehen. Checkout – Abmeldung. Dort gibt es auch die QR-Codes für den digitalen Nachweis der Impfung(en).
Über 99% der Menschen in meinen Schichten stecken die Impfung sehr gut weg. Besonders früh am Morgen sind viele unausgeschlafen, haben das Frühstück ausgelassen oder sind einfach nur aufgeregt. Da kommt schon mal jemand blass um die Nase um die Ecke der Trockenbauwände im Impfzentrum.
Wie viele habe ich gesehen, die einfach nur froh waren endlich die Zweite Impfung oder die praktische Einmal-Impfung mit Johnson&Johnson bekommen zu haben. Hurra, ich kann wieder meine Kinder und Enkel besuchen, Einkaufen gehen, ins Theater.
Das zu erleben ist einfach nur schön. Oder die Familie, die alle zu einem Tag ohne Terminvergabe kamen und alle – von den Großeltern bis zum schon erwachsenen Enkel – ihre Impfung bekamen. Das Urenkelkind war tatsächlich noch zu klein. Oder die Landwirtin, die Ihre Erntehelfer einfach abgefragt hat und mit einem Kleinbus vorgefahren kam – toll auch diese Menschen zu erreichen.
Verbreiten wir als Mitarbeiter dort gute Laune? Ich würde sagen die Menschen bringen diese gute Laune zur Impfung mit.
Dort ist auch Zeit für Fragen jenseits der medizinischen Aufklärung, die vor jeder Impfung erfolgt. Wie häufig sind Nebenwirkungen? Wie geht das mit der App und dem QR-Code? Wie viele Menschen kommen jeden Tag?
Ein junger Mann ist mir in Erinnerung geblieben. Er bekam die Impfung im Liegen, quasi mit der Ansage „wenn ich eine Spritze sehe werden meine Knie weich“. Das wäre auch so gewesen, deswegen kommt er auf ein Feldbett, erhält die Spritze im Liegen und nach 20 Minuten bringe ich ihn zum Ausgang. „Wie geht es Ihnen?“ „Alles Bestens, ich hab den Pieks noch nicht einmal gespürt.“
Knapp 800 Personen werden heute geimpft – knapp die Hälfte in meiner Schicht. Sieben Tage die Woche. Das ist gut gegen diese Krankheit. Das einzige Mittel um in eine Normalität zurück zu kommen.
Das Impfzentrum ist durchorganisiert. Eine kurzer Eingangscheck : Sie haben Ihre Unterlagen dabei? Ihren Termin haben Sie auch? Ja – Ihr Partner kann auch heute kommen.
Die Registrierung erfasst die wenigen Daten, die notwendig sind (wir sind tatsächlich das Land der Datenschützer), ein Arztgespräch über den Impfstoff, dessen Wirkung, Ihre persönliche Vorgeschichte und schon ist derjenige in der Impfkabine. Beobachtungsraum, abmelden – Fertig!
Als Schulkind bekam ich den Impfstoff gegen Kinderlähmung und Pocken in der Schule. Alle in eine Reihe stellen, zack – geimpft. Weder ich noch meine Eltern können sich an Impfverweigerer erinnern, ist ja auch schon lange her. In der Grundschulzeit war ich mit meinen Eltern in einigen der sehr armen Ländern dieser Welt – mein Vater bohrte dort Trinkwasserbrunnen. Dorthin zu reisen bedeutete jede Menge Impfungen vorher und im Land selbst auch sehen zu müssen, was die Ungeimpften dort an Krankheiten durchleben oder auch daran sterben. Das habe ich in Erinnerung behalten, ebenso meine zwei Mitschüler, die leider krank wurden, bevor die Pocken- und Polioimpfung zu ihnen kam. Das sieht heute praktisch kein Schulkind bei uns mehr, damals war es Teil der Normalität. Das ist aus heutiger Zeit Geschichte und das ist auch gut so.
Sind wir solidarisch : Schützen wir uns – schützen wir unsere Mitmenschen.
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